KI-Tools für Designer: Die technische Perspektive
Von Figma AI bis Generative UI – was heute möglich ist und wie Designer damit arbeiten
SerieKI im Design
Teil 2 von 2
Nachdem wir im ersten Teil besprochen haben, warum Designer sich wandeln müssen, wird es jetzt konkret: Wie sieht dieser Wandel technisch aus? Welche Tools gibt es bereits? Wie funktionieren sie? Und vor allem: Wie verändert sich der tägliche Workflow?
Die gute Nachricht: KI-gestützte Design-Tools sind längst keine Science-Fiction mehr. Sie sind da, sie funktionieren – und sie werden gerade zur neuen Normalität.
“Die Frage ist nicht mehr, ob KI ins Design kommt. Sondern wie gut man sie nutzt.”
1. Figma AI: Der neue Co-Designer im vertrauten Tool
Figma war schon vor KI das dominante Design-Tool. Mit der Integration von Figma AI wird es zur Plattform für KI-gestütztes Design.
Was Figma Make kann
Figma Make ist das Herzstück der KI-Integration. Es funktioniert nach dem Prinzip “describe, don’t draw”:
- Man gibt einen Text-Prompt ein: “Erstelle eine Produktseite mit Hero-Bereich, drei Feature-Karten und einem CTA-Button”
- Figma generiert ein vollständiges Layout – mit Komponenten aus dem bestehenden Designsystem
- Das Ergebnis ist sofort editierbar, keine “schwarze Box”
Was das bedeutet:
- Wireframes entstehen in Sekunden statt Minuten
- Erste Design-Iterationen sind sofort verfügbar
- Folgeprompts ermöglichen präzise Anpassungen: “Mach den Hero-Bereich voller” oder “Nutze unser Primary-Button-Komponent”
Kontextsensitives Arbeiten
Das Besondere: Figma AI versteht den Kontext des Projekts. Es greift auf:
- Bestehende Designsysteme und Komponenten zu
- Farben, Typografie, Spacing-Regeln
- Bereits vorhandene Screens und Layouts
Das heißt: KI generiert nicht irgendwas – sondern etwas, das zum Projekt passt. Als würde ein neuer Designer ins Team kommen, der die Brand Guidelines schon kennt.
Kollaborativer Workflow
Ein oft übersehener Vorteil: Figma AI arbeitet im selben File wie das Team.
- Designer und Entwickler sehen KI-Vorschläge in Echtzeit
- Man kann gemeinsam promoten, kommentieren, iterieren
- Versionierung und Feedback-Loops bleiben intakt
Das ist nicht nur effizienter – es verändert auch die Art der Zusammenarbeit. Design wird weniger hierarchisch, mehr explorativ. Man probiert Dinge aus, verwirft sie, entwickelt sie weiter – gemeinsam mit der KI als drittem Teammitglied.
2. Generative UI: Wenn Komponenten sich selbst anpassen
Ein noch tiefgreifenderer Wandel kommt durch Generative UI – also Interfaces, die sich dynamisch an Nutzer und Kontext anpassen.
Was ist Generative UI?
Traditionell sind UI-Komponenten statisch: Ein Button sieht immer gleich aus, eine Card hat feste Abstände. Generative UI dreht das um:
- Komponenten passen sich automatisch an Inhalte an
- Layouts verändern sich basierend auf Nutzerverhalten
- KI generiert zur Laufzeit personalisierte Varianten
Beispiel:
- Ein E-Commerce-Shop zeigt verschiedenen Nutzern unterschiedliche Layouts
- Basierend auf Präferenzen, bisherigem Verhalten, Tageszeit
- Die UI “wächst” mit der Interaktion
Technische Grundlage
Generative UI basiert auf:
- Parametergesteuerten Designsystemen: Komponenten haben variable Eigenschaften
- KI-Modellen: Die entscheiden, welche Variante wann gezeigt wird
- Echtzeit-Rendering: Interfaces werden on-the-fly zusammengesetzt
Tools wie v0.dev (von Vercel) oder ChatGPT Canvas zeigen, wie das aussehen kann:
- Man beschreibt ein Interface in natürlicher Sprache
- KI generiert lauffähigen Code – React, Vue, HTML/CSS
- Das Ergebnis ist sofort interaktiv, anpassbar, einsetzbar
Vorteile für Designer
- Personalisierung at scale: Individuelle Erlebnisse ohne manuellen Aufwand
- Adaptive Interfaces: UIs, die auf verschiedene Geräte, Sprachen, Kontexte reagieren
- Schnellere Iteration: Von Idee zu Prototyp in Minuten
Herausforderungen
- Kontrollverlust: Designer können nicht mehr jede Variante kontrollieren
- Testing-Komplexität: Wie testet man ein Interface, das sich ständig ändert?
- Ethik: Wer entscheidet, was “personalisiert” bedeutet?
Generative UI ist mächtig – aber sie fordert auch ein Umdenken in der Design-Philosophie. Weg von “pixel-perfect”, hin zu “regelbasiert”.
3. Code-Generierung: Von Design zu Development in Sekunden
Eine der größten Reibungsstellen im Design-Prozess war immer der Übergang von Design zu Code. KI macht diesen Schritt nahezu nahtlos.
Figma to Code
Tools wie Figma Dev Mode generieren automatisch Code aus Designs:
- React, Vue, Swift, Kotlin
- Mit korrekten Komponenten-Namen, Props, Styling
- Entwickler können Code direkt kopieren oder anpassen
Das verändert:
- Designer können selbst funktionale Prototypen bauen
- Entwickler bekommen sauberen Code, nicht nur Screenshots
- Die “Übersetzungsarbeit” entfällt
KI-gestützte Code-Assistenten
Tools wie GitHub Copilot, Cursor oder v0.dev gehen noch weiter:
- Man beschreibt eine Komponente in natürlicher Sprache
- KI generiert nicht nur das Design, sondern auch den lauffähigen Code
- Inklusive Interaktionen, States, Accessibility
Beispiel:
Prompt: "Erstelle eine Produktkarte mit Bild, Titel, Preis und Add-to-Cart-Button.
Hover-Effekt auf dem Button, responsive für Mobile."
KI generiert:
- HTML/CSS oder React-Komponente
- Mit Hover-States, Media Queries, semantischem Markup
- Sofort einsetzbar
Der neue Workflow
Früher:
- Designer erstellt Mockup in Figma
- Entwickler interpretiert Design, schreibt Code
- Hin und Her bei Anpassungen
Heute:
- Designer oder Entwickler beschreibt gewünschtes Ergebnis
- KI generiert Design + Code
- Team verfeinert gemeinsam
Das ist nicht nur schneller – es ist auch kollaborativer. Die Grenze zwischen Design und Development verschwimmt.
4. Dynamische Layouts und personalisierte Inhalte
KI ermöglicht nicht nur statische Generierung, sondern auch dynamische Anpassung zur Laufzeit.
Content-Aware Layouts
Moderne KI-Systeme können:
- Text automatisch kürzen oder verlängern, um ins Layout zu passen
- Bilder intelligent zuschneiden (Fokus auf Gesichter, wichtige Elemente)
- Spacing und Hierarchie basierend auf Inhaltstyp anpassen
Beispiel:
- Eine News-Seite mit wechselnden Artikellängen
- KI passt Layout automatisch an: Lange Artikel bekommen mehr Platz, kurze werden kompakter dargestellt
- Ohne dass Designer jede Variante manuell anlegen müssen
KI-gesteuerte Chatbots und Assistenten
Embedded Chat-Interfaces werden intelligenter:
- Sie verstehen Kontext und Nutzerintention
- Schlagen relevante Inhalte vor
- Passen Sprache und Tonalität an
Technisch bedeutet das:
- Integration von GPT, Claude oder lokalen Modellen
- Anbindung an bestehende Datenbanken und APIs
- UI/UX, die sich an Chat-Kontext anpasst
Designer müssen hier neu denken: Nicht mehr “Wie sieht der Screen aus?”, sondern “Wie fühlt sich die Konversation an?“
5. Tools und Plattformen im Überblick
Die Landschaft entwickelt sich rasant. Hier ein Überblick über die wichtigsten Akteure:
Design-Tools mit KI-Integration
| Tool | KI-Features | Einsatzbereich |
|---|---|---|
| Figma AI | Layout-Generierung, Auto-Layout, Designsystem-Integration | Vollwertiges Design-Tool mit KI-Co-Creation |
| Adobe Firefly | Bild-Generierung, Stil-Transfer, Content-Aware Fill | Grafik- und visuelles Design |
| Framer AI | Text-to-Website, responsive Layouts, Animationen | Landing Pages, Marketing-Sites |
| Uizard | Screenshot-to-Design, Wireframe-Generierung | Rapid Prototyping |
Code-Generierung und Development
| Tool | KI-Features | Einsatzbereich |
|---|---|---|
| v0.dev | Text-to-UI, React-Code-Generierung, Live-Preview | Schnelle Prototypen, funktionale Komponenten |
| GitHub Copilot | Code-Completion, Komponentenvorschläge | Entwicklung mit KI-Unterstützung |
| Cursor | KI-Editor mit Code-Generierung und Refactoring | Vollständiger Development-Workflow |
| Builder.io | Visual CMS mit KI-Optimierung | Content-Management und A/B-Testing |
Spezialisierte KI-Tools
| Tool | KI-Features | Einsatzbereich |
|---|---|---|
| Midjourney / DALL-E | Bild-Generierung aus Text | Visual Assets, Moodboards |
| ChatGPT / Claude | Text-Generierung, Ideation, Strukturierung | Copywriting, Konzeption |
| Relume AI | Sitemap- und Wireframe-Generierung | Website-Struktur, IA |
Wichtig zu verstehen:
Diese Tools ersetzen sich nicht – sie ergänzen sich. Ein typischer Workflow könnte sein:
- Relume AI: Sitemap und Wireframes generieren
- Figma AI: High-Fidelity-Designs erstellen
- Midjourney: Individuelle Visuals generieren
- v0.dev: Code-Komponenten bauen
- GitHub Copilot: Code verfeinern und anpassen
6. Wie verändert sich der Design-Workflow konkret?
Die Integration von KI verändert nicht nur einzelne Tools – sondern den gesamten Prozess.
Alter Workflow
- Research & Ideation (Manual)
- Wireframing (Sketch, Figma)
- Visual Design (Figma, Illustrator)
- Prototyping (Figma, InVision)
- Handoff to Dev (Zeplin, Figma Inspect)
- Development (Code schreiben)
- Testing & Iteration
Neuer Workflow mit KI
- Research & Ideation (KI-gestützt: ChatGPT für Brainstorming, Relume für Struktur)
- Rapid Prototyping (Figma AI generiert erste Layouts)
- Visual Refinement (Designer kuratiert und verfeinert KI-Vorschläge)
- Interactive Prototype (v0.dev generiert funktionalen Code)
- Collaborative Testing (Team testet direkt im Browser)
- Continuous Iteration (KI passt basierend auf Feedback an)
Was sich ändert:
- Geschwindigkeit: Von Wochen zu Tagen
- Iteration: Mehr Varianten, schnelleres Feedback
- Kollaboration: Designer und Entwickler arbeiten näher zusammen
- Fokus: Weniger Zeit für Handwerk, mehr für Strategie
Der iterative Loop
KI macht Design iterativer. Statt eines linearen Prozesses entsteht ein Loop:
Prompt → Generierung → Bewertung → Anpassung → Repeat
Designer werden zu Kuratoren und Direktoren:
- Sie geben die Richtung vor
- Bewerten KI-Vorschläge
- Wählen die besten aus
- Verfeinern und kombinieren
Das ist effizienter – aber auch anspruchsvoller. Man braucht ein gutes Auge, Urteilsvermögen und die Fähigkeit, KI präzise zu steuern.
7. Herausforderungen und Best Practices
Trotz aller Vorteile gibt es auch Stolpersteine:
Herausforderung 1: Overreliance auf KI
Problem: Designer verlassen sich zu sehr auf KI und verlieren eigene Fähigkeiten.
Best Practice:
- KI als Werkzeug, nicht als Ersatz
- Eigenes Design-Denken weiter schärfen
- KI für erste Entwürfe nutzen, selbst verfeinern
Herausforderung 2: Einheitsbrei
Problem: Wenn alle dieselben KI-Tools nutzen, sehen alle Designs gleich aus.
Best Practice:
- Eigene Designsysteme und Komponenten trainieren
- KI-Vorschläge als Ausgangspunkt, nicht als Endresultat
- Mut zu eigenen, unkonventionellen Entscheidungen
Herausforderung 3: Datenschutz und Urheberrecht
Problem: KI-generierte Inhalte können Rechte verletzen oder Daten preisgeben.
Best Practice:
- Lokale KI-Modelle für sensible Projekte
- Lizenzen und Nutzungsrechte prüfen
- Transparenz gegenüber Kunden
Herausforderung 4: Qualitätskontrolle
Problem: KI macht Fehler – falsche Abstände, ungültige Farben, schlechte Accessibility.
Best Practice:
- Immer manuell prüfen
- Automated Testing einsetzen (Lighthouse, axe)
- Design-Reviews im Team
8. Ein Blick in die Zukunft: Was kommt als Nächstes?
Die Entwicklung steht noch am Anfang. Was in den nächsten Jahren zu erwarten ist:
Echtzeit-Personalisierung
Websites passen sich individuell an jeden Nutzer an:
- Basierend auf Verhalten, Präferenzen, Kontext
- Ohne dass Designer jede Variante manuell erstellen
Multimodale Interfaces
KI wird über Text hinausgehen:
- Voice-to-Design: “Erstelle mir eine…” per Sprachbefehl
- Sketch-to-UI: Handskizze → funktionales Interface
- Bild-zu-Code: Screenshot → lauffähige App
KI-gestützte Accessibility
KI wird automatisch:
- Alt-Texte generieren
- Kontrastverhältnisse optimieren
- Screen-Reader-freundliche Strukturen erstellen
Dezentralisierung von Design-Tools
Design passiert nicht mehr nur in Figma:
- Direkt im Browser
- In Coding-Editoren
- In Chat-Interfaces
Die Grenzen zwischen Tools verschwimmen.
KI als Partner, nicht als Ersatz
Die technische Perspektive zeigt: KI-Tools sind bereits da und funktionieren. Sie sind keine Zukunftsmusik mehr, sondern Teil des täglichen Workflows.
Was Designer jetzt tun sollten:
- Experimentieren: Tools wie Figma AI, v0.dev, Midjourney ausprobieren
- Lernen: Verstehen, wie KI funktioniert und wo ihre Grenzen liegen
- Integrieren: KI in den eigenen Workflow einbauen – aber nicht blind vertrauen
- Weiterentwickeln: Die gewonnene Zeit für kreative und strategische Arbeit nutzen
KI ist nicht der Feind des Designers. Sie ist der Katalysator für eine neue Art des Designs – schneller, kollaborativer, aber auch anspruchsvoller.
Die Zukunft gehört denen, die KI nicht fürchten, sondern beherrschen.