„Der beste Service für den Kunden“: Wie Softwareanbieter mit Abomodellen Abhängigkeiten schaffen – nicht Mehrwert
Hinter der Fassade des Kundenservice verbirgt sich oft ein Kalkül: Kontrolle sichern, Wachstum garantieren, Markt absichern. Echte Nutzerorientierung zeigt sich nicht im Abozwang, sondern in Auswahl, Transparenz und Nachhaltigkeit.
Fortschritt oder nur neue Fesseln?
„Wir wollen den besten Service für unsere Kunden bieten“ – ein Satz, der in der Tech-Welt fast schon inflationär verwendet wird. Doch was steckt wirklich dahinter? Ist es echtes Kundeninteresse – oder die Tarnung für aggressive Wachstumsstrategien und Börsenoptimierung?
Die Debatte um Abonnements und Kaufmodelle verfehlt oft das eigentliche Problem: Es geht nicht um die Lizenzform, sondern um Macht. Um Systeme, die Kunden nicht binden, sondern fesseln – durch proprietäre Formate, Ökosystemzwänge und künstlich erzeugte Abhängigkeiten.
Keine Frage der Lizenz – sondern der Macht
Abo oder Kauf? Beide Modelle haben Vor- und Nachteile. Moralisch ist keins per se überlegen. Kritisch wird es, wenn der Anbieter:
- das Dateiformat kontrolliert,
- die Schnittstellen verwaltet,
- die Infrastruktur erzwingt.
Dann geht es nicht mehr um den besten Service, sondern um maximale Planbarkeit: wiederkehrende Umsätze, aggressive Wachstumskurven, beeindruckende Quartalszahlen.
Analyse der iX-Daten: Migrationsdruck als Geschäftsmodell
Laut iX/Heise setzen rund 70 % der deutschen KMUs weiterhin auf Office 2016 oder 2019. Ab Oktober 2025 läuft deren Support aus. Damit beginnt ein subtiler, aber mächtiger Migrationsdruck.
Office 2021, der Kaufnachfolger, fristet ein Nischendasein mit nur 14 % Verbreitung. Microsoft positioniert Microsoft 365 – das Abo – als eigentliche Zukunft. Die Entscheidung scheint freiwillig, ist aber durch Struktur und Kommunikation gelenkt. Kunden werden nicht überzeugt, sondern geschoben.
Das Machtspiel der Ökosystemanbieter
Wer Format, Cloud und Authentifizierung kontrolliert, kontrolliert den Zugang zur Funktion. Und: Wer Zugang kontrolliert, kontrolliert den Kunden.
Immer häufiger treiben Bilanzziele die Produktentwicklung:
- Teams wird in Office „integriert“ – ohne echte Wahl.
- Cloudpflicht wird zur Norm, selbst bei lokal installierten Anwendungen.
- UI-Wechsel folgen dem Rebranding-Rhythmus, nicht dem Nutzerbedarf.
Der „beste Service“ wird zur Rhetorik – gemeint ist: maximale Bindung, minimale Wechselwahrscheinlichkeit.
Schwieriger Ausstieg – selbst bei guten Gründen
Gerade kleine Unternehmen stehen unter Druck:
- Investitionen müssen geschützt werden.
- Fachkräfte fehlen.
- Migration ist teuer, riskant, komplex.
Das Ergebnis? Ein faktisch geschlossener Markt. Wer drin ist, bleibt. Nicht wegen Qualität – sondern wegen Mangel an Alternativen und übermäßiger Komplexität.
Innovation? Nur wenn sie dem Börsenkurs hilft
Viele Softwareprodukte wachsen – an Funktionen, Oberfläche, Preis. Aber nicht zwangsläufig am Nutzwert.
Innovation dient oft dem Shareholder Value, nicht dem Nutzer. Neue Features werden nicht entwickelt, weil sie gebraucht werden – sondern weil sie „Upgrade-Gründe“ liefern. Das eigentliche Ziel: höhere Abo-Stufen, bessere Margen, neue Investitionsrunden.
Was tun? Perspektiven für Nutzer und Politik
Wenn die Marktmechanismen nicht greifen, braucht es regulative Eingriffe und bewusste Entscheidungen – sowohl politisch als auch individuell:
- Wahlfreiheit wiederherstellen: Kauflizenzmodelle mit Long-Term-Support müssen gleichwertig angeboten werden.
- Interoperabilität fördern: Offene Standards und Schnittstellen gesetzlich absichern.
- Marktmacht begrenzen: Wettbewerbsrecht auf Abhängigkeitsmodelle ausweiten.
- Regionale Anbieter stärken: Öffentliche Ausschreibungen mit Fokus auf Datenschutz und Open Source.
Kundenservice ist zur Rechtfertigung geworden
Hinter der Fassade des Kundenservice verbirgt sich oft ein Kalkül: Kontrolle sichern, Wachstum garantieren, Markt absichern.
Echte Nutzerorientierung zeigt sich nicht im Abozwang, sondern in Auswahl, Transparenz und Nachhaltigkeit. Ein kritischer, informierter Markt ist nötig, um den Wandel zu erzwingen – von der Shareholder-getriebenen Software zurück zur bedarfsorientierten Lösung.
Empfehlungen für KMUs: Realistisch bewerten statt Hochglanzversprechen folgen
Software ist kein Selbstzweck – sie muss dem Unternehmen nützen, nicht umgekehrt. Deshalb: nüchtern entscheiden, statt sich blenden zu lassen.
1. Anforderungen zuerst, nicht Produktversprechen
- Welche Funktionen werden tatsächlich benötigt?
- Reicht ein solides E-Mail- und Textsystem – oder braucht es wirklich AI-Assistenten und Cloud-Collaboration?
2. DSGVO: Nicht auf spätere Anpassungen hoffen
- Ist das Produkt von Beginn an datenschutzkonform?
- Speichern Dienste Daten in der EU? Gibt es Datenabflüsse an US-Anbieter?
3. Komplexität vermeiden
- Jedes Extra bedeutet Aufwand: Konfiguration, Wartung, Schulung.
- Faustregel: Wenn nur 30 % genutzt werden – warum für 100 % zahlen?
4. Zwangsinnovation kostet
- Viele Cloudlösungen zwingen zu Upgrades mit Funktionen, die keiner will.
- Preissteigerungen ohne echten Mehrwert sind keine Ausnahme – sondern System.
5. Versteckte Kosten nicht unterschätzen
- Migration klingt einfach – ist aber teuer: Datenübernahme, Schulung, Anpassung.
- Tipp: Lieber weniger Funktionen – aber sicher und effizient nutzbar.
Alternativen zu Microsoft 365: DSGVO-konform und kontrollierbar
| Microsoft 365 Dienst | DSGVO-konforme Alternative |
|---|---|
| Outlook | Tutanota, Mailbox.org, Posteo |
| Exchange Online | Kopano, Mailcow, Zimbra |
| Word / Excel / PowerPoint | ONLYOFFICE, LibreOffice, SoftMaker |
| OneDrive | Nextcloud, Seafile, ownCloud |
| Teams | Jitsi Meet, BigBlueButton, Element |
| SharePoint | Nextcloud Hub, Plone |
| Planner / Tasks | OpenProject, Kanboard, Wekan |
| Forms | LimeSurvey, KoboToolbox |
| Power Automate | n8n.io, Node-RED |
| Power BI | Metabase, Redash |
| Defender | Open Source EDR, ESET EU-Hosting |
| Azure AD | Keycloak, Authelia, UCS |
Hinweis: DSGVO-konform heißt nicht automatisch einfacher – aber oft: mehr Kontrolle, weniger Abhängigkeit und keine US-Datenabflüsse.
Schlussgedanke
Wer informiert entscheidet, spart langfristig – nicht nur Geld, sondern auch Freiheit und Kontrolle.