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Orchestrierung von AI-Agents – Ein moderner Workflow
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Orchestrierung von AI-Agents – Ein moderner Workflow


Wie spezialisierte KI-Agents wie ein Entwicklerteam zusammenarbeiten – und welche Tools bereits in diese Richtung gehen

SerieAI-Agent Workflows
Teil 2 von 2
10 Minuten Lesezeit

Warum Orchestrierung für KI-gestützte Entwicklung immer wichtiger wird

KI-Tools haben in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Claude, GPT-4, und andere Modelle können beeindruckenden Code generieren – aber nur bis zu einem gewissen Punkt.

Das Problem:

  • Komplexe Projekte überfordern einzelne KI-Instanzen
  • Aufgaben fragmentieren sich über verschiedene Kontexte
  • Konsistenz leidet, wenn zu viele Entscheidungen gleichzeitig getroffen werden müssen
  • Der Überblick geht verloren

Die Realität ist: KI erzeugt hochwertigen Code, aber nur, solange der Überblick gewahrt bleibt.

Die Antwort darauf ist ein orchestrierter Workflow, der KI-Agents wie ein Team aus Spezialisten führt – jeder mit klarer Rolle, klarem Auftrag und klarer Zuständigkeit.

Dieser Artikel baut auf Teil 1 auf und geht einen Schritt weiter: Während Teil 1 sequentielle Agent-Workflows mit heute verfügbaren Tools (Cursor, Claude CLI) beschreibt, zeigt dieser Teil fortgeschrittene Orchestrierung mit parallelen Agents und automatisierter Koordination – teilweise bereits in spezialisierten Plattformen verfügbar, teilweise noch Zukunftsmusik.

Das Grundprinzip: KI-Systeme wie ein Entwicklerteam organisieren

Statt “eine große KI macht alles” wird das Projekt in Rollen und Zuständigkeiten zerlegt.

Typische Rollen in einem orchestrierten System:

  • Architektur-Agent (Planer): Plant die Gesamtstruktur, definiert Schnittstellen
  • Backend-Agent (Dev): Implementiert Server-Logik, APIs, Datenbanken
  • Frontend-Agent (Dev): Erstellt UI-Komponenten, Layouts, Interaktionen
  • Testing-Agent (QA): Schreibt Tests, validiert Code-Qualität
  • Integration-Agent: Fügt Module zusammen, prüft Kompatibilität
  • Review-Agent: Analysiert Code auf Konsistenz und Best Practices

Hinweis: Diese technischen Rollen ergänzen die agilen Rollen aus Teil 1 (PM, Dev, Review). In orchestrierten Systemen können beide Ebenen kombiniert werden – z.B. ein Planer-Agent, der Tasks an spezialisierte Backend- und Frontend-Agents verteilt.

Der Workflow sorgt dafür, dass jede Rolle isoliert arbeitet, aber die Ergebnisse sauber zusammengeführt werden.

Das Resultat: Weniger Kontext-Chaos, mehr Fokus, bessere Ergebnisse.

Der Workflow: So funktioniert orchestriertes Arbeiten mit Agents

Schritt 1: Die zentrale Steuerstelle definieren

Ein zentraler Agent oder Prozess übernimmt die Planung.

Er legt fest:

  • Ziele und Anforderungen
  • Teilaufgaben und ihre Abhängigkeiten
  • Reihenfolge der Umsetzung
  • Schnittstellen zwischen Modulen

Wichtig: Er selbst erzeugt keinen Code. Er bleibt konstant auf architektonischer Ebene und fungiert als Koordinator.

Zentraler Agent:
├─ Definiert: "Wir bauen ein Authentifizierungs-System"
├─ Legt fest: "Backend: API-Endpunkte, Frontend: Login-UI, Testing: E2E-Tests"
└─ Verteilt Aufgaben an spezialisierte Agents

Schritt 2: Aufgaben in klare Work Units zerlegen

Jede Aufgabe ist kompakt, verständlich und unabhängig.

Fokus:

  • Klarer Input → Klarer Output
  • Minimale Überschneidung zwischen Tasks
  • Keine impliziten Annahmen

Beispiel:

❌ Schlecht: "Baue die Login-Funktion"
✅ Gut:    "Implementiere POST /auth/login mit Email/Passwort-Validierung"

Die zweite Formulierung ist präzise genug, dass ein spezialisierter Agent sie umsetzen kann, ohne den gesamten Kontext zu benötigen.

Schritt 3: Mit spezialisierten Agents arbeiten

Agents arbeiten rollenbasiert statt “allgemein”.

Vorteil:

  • Weniger Kontext nötig
  • Weniger Drift (Abweichung vom Ziel)
  • Bessere Resultate durch Spezialisierung

Beispiele für typische Spezialisierungen:

  • API-Entwicklung: Kennt REST-Patterns, Validierung, Error-Handling
  • UI-Komponenten: Fokus auf Accessibility, Responsiveness, User Experience
  • Geschäftslogik: Versteht Domain-Logik, Business-Rules
  • Testfälle: Schreibt Unit-Tests, Integration-Tests, E2E-Tests
  • Integrationspunkte: Verbindet Module, prüft Type-Safety

Jeder Agent bleibt in seiner Lane – das vermeidet Überschneidungen und Konflikte.

Schritt 4: Ergebnisse konsistent validieren

Nach jeder Runde wird geprüft:

  • ✅ Stimmen die Interfaces?
  • ✅ Passen die Typen zusammen?
  • ✅ Sind Module kompatibel?
  • ✅ Gibt es Konflikte in Abhängigkeiten?

Dadurch arbeiten mehrere Agents parallel, ohne sich gegenseitig zu sabotieren.

Wichtig: Bei manueller Orchestrierung (wie in Teil 1 mit Cursor/Claude CLI) arbeiten Agents nacheinander und der Mensch übernimmt die Validierung. Bei automatisierten Orchestrierungs-Plattformen können Agents parallel arbeiten, während ein Integration-Agent Konflikte erkennt und auflöst:

// Integration-Check nach jeder Wave
const validationResult = {
  typeConsistency: checkTypeCompatibility(),
  interfaceMatching: validateInterfaces(),
  dependencyConflicts: analyzeDependencies(),
};

if (!validationResult.isValid) {
  // Konflikte zurück an betroffene Agents
  notifyAgentsForFixes(validationResult.issues);
}

Schritt 5: In Wellen vorgehen statt alles auf einmal

Der Workflow läuft in Wellen (“Waves”):

  1. Wave 1: Kernfunktionen – Die wichtigsten Features zuerst
  2. Wave 2: Integration – Module zusammenführen, Schnittstellen testen
  3. Wave 3: Randfälle – Edge Cases, Error Handling, Validierung
  4. Wave 4: Optimierung – Performance, Refactoring, Cleanup

Jede Wave beginnt mit einer kurzen Übersicht.

Vor der nächsten Wave wird der Kontext bereinigt:

  • Zusammenfassungen statt langer Historien
  • Nur relevante Entscheidungen bleiben sichtbar
  • Details werden archiviert

Das verhindert Context-Overflow – ein häufiges Problem bei langen KI-Sessions.

Schritt 6: Kontextmanagement ernst nehmen

Einfache Faustregel:

  • Architektur bleibt oben – zentrale Entscheidungen sind immer sichtbar
  • Entscheidungen bleiben sichtbar – wichtige Choices werden dokumentiert
  • Details werden zusammengefasst – Implementierungsdetails verschwinden nach Abschluss

Agents erhalten nur das Nötigste – nicht alles.

Frontend-Agent bekommt:
✅ API-Schema
✅ Datentypen
✅ UI-Requirements
❌ Backend-Implementierung
❌ Datenbank-Schema
❌ Deployment-Config

Das reduziert Token-Kosten, verbessert Fokus und verhindert Halluzinationen.

Unterschied zum manuellen Ansatz: Bei Tools wie Cursor (Teil 1) erfolgt Kontextmanagement durch getrennte Chats/Sessions. Bei automatisierten Plattformen übernimmt ein Orchestrierungs-Layer die Kontext-Verteilung an die einzelnen Agents.

Was heute schon existiert: KI-Entwicklungswerkzeuge mit Orchestrierungs-Ansätzen

Mehrere Tools und Plattformen bewegen sich bereits in Richtung Multi-Agent-Orchestrierung – wenn auch in unterschiedlichem Reifegrad.

1. Anthropic Claude Code Agents

Status: Früheste Form von Orchestrierung

Features:

  • Datei- und Projektverständnis in größeren Codebases
  • Isolierung von Tasks
  • Rollen-ähnliche Aufgabentrennung

Stärken:

  • Sehr gutes Architektur-Verständnis
  • Kann große Projekte überblicken
  • Gute Trennung zwischen Planung und Umsetzung

Schwächen:

  • Kein vollständiges Multi-Agent-System out-of-the-box
  • Noch keine parallelen Agents mit klar definierten Rollen

Fazit: Claude ist hervorragend für komplexe Einzelaufgaben, aber echte Multi-Agent-Orchestrierung muss manuell aufgesetzt werden.

2. OpenAI Developer Tools (GPT-4.1, o1, o3)

Status: Erste Umgebungen mit Reasoning-Modellen

Features:

  • Modelle mit “Reasoning”-Fähigkeiten (o1, o3)
  • Tools, die mehrere Schritte ausführen können
  • “Tasks” und automatisierte Ausführung

Vielversprechend:

  • Deutliche Trennung zwischen Planen und Ausführen
  • Modelle führen Schritte nacheinander aus statt alles in einem Prompt
  • Besseres Multi-Step-Reasoning

Noch nicht:

  • Echte parallele Agents
  • Rollenbasierte Spezialisierung
  • Workflow-Orchestrierung

Fazit: Die Reasoning-Modelle sind ein wichtiger Schritt, aber noch keine vollständige Orchestrierungs-Lösung.

3. Devin (Cognition Labs)

Status: Positioniert als “AI Software Engineer”

Features:

  • Projekte verstehen und analysieren
  • To-do-Listen erzeugen
  • Schritte einzeln abarbeiten
  • Entwicklungsumgebungen bedienen (Terminal, Editor, Browser)

Stärken:

  • Kann vollständige Features eigenständig implementieren
  • Gute Integration in reale Entwicklungsumgebungen
  • Versteht komplexe Workflows

Schwächen:

  • Stark auf sequentielles Vorgehen ausgelegt
  • Noch keine klar definierte Multi-Agent-Rolle-pro-Aufgabe-Struktur
  • Wenig Transparenz über interne Architektur

Fazit: Devin ist eines der ersten Systeme, die in Richtung vollautomatisierte KI-Entwicklung gehen – aber noch kein echtes Multi-Agent-System.

4. AutoGen (Microsoft / Open Source)

Status: Echte Multi-Agent-Plattform

Features:

  • Agents können verschiedene Rollen bekommen:
    • Planer
    • Kritiker
    • Implementierer
    • Tester
  • Kann komplexe Agentenketten aufbauen
  • Parallele Interaktionen möglich

Stärken:

  • Echte Multi-Agent-Architektur
  • Flexible Rollendefinitionen
  • Open Source und erweiterbar

Main Use Case:

  • Forschung
  • Prototypen
  • KI-Agent Research

Schwächen:

  • Noch nicht produktionsreif für große Codebases
  • Komplex im Setup
  • Wenig vorgefertigte Workflows für Software-Entwicklung

Fazit: AutoGen ist technisch am nächsten an echter Orchestrierung – aber noch zu experimentell für Production Use.

5. Meta’s LLaMA-basierte Agent-Frameworks

Status: Multi-Agent-Kommunikation für Wissensaufgaben

Features:

  • Planen, Ausführen, Reflektieren
  • Gute Integration in reproduzierbare Workflows
  • Starke Performance bei großen Sprachmodellen

Stärken:

  • Open Source
  • Gute Performance
  • Flexible Architektur

Problem:

  • Weniger optimiert für Softwareentwicklung
  • Eher für Wissensaufgaben, Recherche, Analysen

Fazit: Interessant für Research, aber nicht direkt auf Code-Generierung ausgelegt.

6. Emerging: ReAct, SWE-agent, DevOps-Agents

Status: Forschungsprojekte und frühe Prototypen

Konzepte:

  • Agents, die schreiben
  • Agents, die reviewen
  • Agents, die testen
  • Agents, die deployen

Realität:

  • Aktuell hypebehaftet
  • Technisch noch fragil
  • Viele Proof-of-Concepts, wenige produktionsreife Lösungen

Trotzdem: Wichtige Bausteine für zukünftige echte Orchestrierung.

Wohin es sich entwickelt: Warum orchestrierte Systeme die nächste Evolutionsstufe sind

Die Entwicklung geht klar in Richtung KI-DevOps – einem System, in dem:

  • Architekturen stabil bleiben, während KI selbstständig Code generiert
  • Entwickler zu Moderatoren werden, nicht Befehlsschreibern
  • Rollen automatisch erstellt werden, basierend auf Projekt-Anforderungen
  • Kontext intelligent zusammengefasst wird, ohne wichtige Infos zu verlieren
  • Konflikte selbst gelöst werden, durch spezialisierte Agents
  • Projekte über Wochen stabil bleiben, ohne manuelles Re-Prompting

Zukünftige Tools werden können:

1. Automatische Rollenverteilung

System analysiert Projekt:
→ "Das ist ein Full-Stack E-Commerce-Projekt"
→ Erstellt automatisch:
   - API-Agent (Express.js)
   - Frontend-Agent (React)
   - Payment-Agent (Stripe)
   - Testing-Agent (Jest, Playwright)

2. Intelligente Kontext-Kompression

Nach jeder Wave:
→ Details werden zusammengefasst
→ Nur Architektur-Entscheidungen bleiben sichtbar
→ Neue Agents bekommen kompakte Briefings

3. Selbstheilende Workflows

Integration-Agent findet Konflikt:
→ Identifiziert betroffene Module
→ Benachrichtigt zuständige Agents
→ Agents fixen das Problem autonom

4. Langfristige Projekt-Stabilität

Projekt läuft über Wochen:
→ Architektur bleibt konsistent
→ Neue Features passen ins bestehende System
→ Keine manuellen Re-Prompts nötig

Der entscheidende Trend

KI arbeitet nicht mehr “in einem Kopf”, sondern in Teams aus KI-Spezialisten, die koordiniert zusammenarbeiten.

Das ist keine Science-Fiction – die Bausteine existieren bereits. Es geht jetzt darum, sie richtig zu kombinieren.

Orchestrierung ist die Zukunft der KI-gestützten Entwicklung

Heute: Einzelne KI-Tools sind beeindruckend, aber limitiert.

Morgen: Orchestrierte Multi-Agent-Systeme arbeiten wie ein Entwicklerteam – spezialisiert, koordiniert, konsistent.

Die wichtigsten Erkenntnisse:

  1. Spezialisierung schlägt Generalisierung – Fokussierte Agents liefern bessere Ergebnisse
  2. Kontextmanagement ist entscheidend – Weniger Kontext = Bessere Performance
  3. Validierung verhindert Chaos – Integration-Checks nach jeder Wave
  4. Wellen-basiertes Vorgehen – Inkrementell statt alles auf einmal
  5. Zentrale Koordination – Ein Planer hält das große Bild zusammen

Bestehende Tools zeigen den Weg:

  • Claude: Exzellentes Architektur-Verständnis
  • OpenAI Reasoning-Modelle: Besseres Multi-Step-Reasoning
  • Devin: Vollautomatisierte Feature-Entwicklung
  • AutoGen: Echte Multi-Agent-Plattform

Was fehlt noch:

  • Produktionsreife Orchestrierungs-Plattformen
  • Standardisierte Workflows für Software-Entwicklung
  • Bessere Tools für Konfliktlösung zwischen Agents

Aber der Trend ist klar: Die Zukunft gehört orchestrierten KI-Teams, nicht einzelnen Super-Agents.

Die kontroverse Konsequenz: Verlust der Code-Hoheit

Der Entwickler gibt zunehmend die Kontrolle über den Code ab.

Früher waren es proprietäre Bibliotheken und Frameworks – Black Boxes, deren Quellcode man nicht kannte oder verstand. Man nutzte sie trotzdem, weil der Aufwand, alles selbst zu bauen, zu hoch war. Der Trade-off: Effizienz gegen Transparenz.

Heute entsteht ein ähnlicher Zugzwang – nur schneller und radikaler.

KI erzeugt Code in Geschwindigkeit und Menge, die menschlich nicht mehr erreichbar ist. Was früher Tage oder Wochen dauerte, erledigen Agents in Stunden. Aber: Wer den Code nicht mehr selbst schreibt, versteht ihn auch nicht mehr vollständig.

Die Parallele ist offensichtlich:

  • Früher: Man setzte auf fertige Bibliotheken, ohne den Quellcode zu kennen
  • Heute: Man setzt auf KI-generierte Komponenten, ohne jeden Aspekt nachvollziehen zu können

Der Unterschied: Die Geschwindigkeit der Veränderung.

Während proprietäre Bibliotheken über Jahre stabil blieben, erzeugen Agents kontinuierlich neuen Code. Die Codebasis wächst schneller, als ein einzelner Entwickler sie überblicken kann.

Das Resultat:

  • Code wird zur quantitativen Ressource statt zur handwerklichen Leistung
  • Entwickler werden zu Kuratoren und Architekten, nicht mehr zu primären Code-Autoren
  • Die Fähigkeit, Code zu orchestrieren, ersetzt die Fähigkeit, ihn Zeile für Zeile zu schreiben

Die unbequeme Wahrheit: Dieser Prozess ist nicht aufzuhalten. Wer versucht, jeden generierten Code vollständig zu verstehen, verliert den Anschluss. Wer blind vertraut, verliert die Kontrolle.

Die neue Kernkompetenz wird sein: Zu wissen, wo man verstehen muss – und wo man vertrauen kann.